Kindergeld bei Beschädigtengrundrente

Wie der Bundesfinanzhof entschieden hat, ist eine Grundrente, die das Opfer einer Gewalttat bezieht, nicht zu den Bezügen eines behinderten Kindes zu rechnen und steht daher der Gewährung von Kindergeld nicht entgegen.

Der Kläger ist der Vater einer volljährigen Tochter, bei der eine Behinderung vorliegt. Die Tochter wurde Opfer einer Gewalttat und erhielt deshalb eine Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Der Kläger bezog für die Tochter wegen der vorliegenden Behinderung auch nach deren Volljährigkeit Kindergeld. Nach der Berechnung der der Tochter zur Verfügung stehenden Einkünfte und Bezüge kam die Familienkasse zu dem Ergebnis, dass sich die Tochter ab Oktober 2019 selbst unterhalten könne. Die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Kläger hob sie deshalb auf. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt.

Kindergeld für volljährige Kinder

Der BFH hielt die Revision der Familienkasse für unbegründet (Urteil vom 20.4.2023, Az. III R 7/21). Volljährige Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, werden kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Beschädigtengrundrente dient nicht dem Lebensunterhalt

Im Streitfall erhielt die Tochter eine Beschädigtengrundrente. Eine solche Grundrente diene in erster Linie dazu, so der BFH, den immateriellen Schaden abzudecken, den das Opfer durch die Gewalttat erlitten hat. Insoweit diene sie nicht dazu, den Lebensunterhalt des Opfers und seiner Familie sicherzustellen.

Selbst wenn die Beschädigtengrundrente daneben auch materielle Schäden des Opfers abdecken sollte, wären die verschiedenen Leistungskomponenten zum einen nicht trennbar. Zum anderen dürften dann nicht nur entsprechende Rentenbezüge angesetzt werden, sondern die Familienkasse hätte berücksichtigen müssen, dass das Kind auch einen entsprechend höheren behinderungsbedingten Mehrbedarf hat, der die Rente wieder ausgleicht.

(BFH / STB Web)

Artikel vom 05.06.2023

Steueränderungen bewirken erwartungsgemäß Mindereinnahmen

Den Ergebnissen der aktuellen Steuerschätzung zufolge entwickeln sich die Steuereinnahmen unter Berücksichtigung der seit Oktober in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungen in diesem Jahr erwartungsgemäß schlechter als noch in der Oktober-Schätzung prognostiziert.

Wie das Bundesfinanzministerium (BMF) mitteilte, liegen die Steuereinnahmen im Vergleich zur Schätzung im Oktober 2022 durchschnittlich jährlich um rund 30 Milliarden Euro niedriger. Dies sei maßgeblich auf die erwarteten Wirkungen des Jahressteuergesetzes 2022 und des Inflationsausgleichsgesetzes zurückzuführen. Dass es durch diese Maßnahmen zu erheblichen Mindereinnahmen gegenüber der Oktober-Schätzung kommt, wurde allerdings im Oktober schon erwartet (STB Web berichtete).

Inflationsausgleichsgesetz und Jahressteuergesetz

Insgesamt betragen die Steuerrechtsänderungen im Schätzzeitraum jährlich rund 34 Milliarden Euro. Konjunkturell werden im Schätzzeitraum leichte Mehreinnahmen von jährlich rund 4 Milliarden Euro erwartet. Diesen Mehreinnahmen stehen deutlich höhere Belastungen durch beschlossene Rechtsverpflichtungen, aber auch erheblich steigende Zinsausgaben gegenüber. Insgesamt ergeben sich im Jahr 2024 voraussichtlich Mindereinnahmen in Höhe von 30,8 Milliarden Euro. Details und Grafiken können der Website des BMF entnommen werden.

Lindner: "Steuerschätzung eröffnet keine neuen Spielräume"

Bundesfinanzminister Christian Lindner zeigte sich zufrieden darüber, dass das Inflationsausgleichsgesetz und das Jahressteuergesetz ihre Wirkung entfalten. Ein Einnahmeproblem habe Deutschland deshalb nicht. Dennoch könne man nur das Geld ausgeben, das die Menschen und Betriebe erwirtschaften. Bei der Haushaltsaufstellung für das kommende Jahr würde man daher die Ausgaben strikt priorisieren. Neue Schulden oder auch Steuererhöhungen seien dabei kontraproduktiv.

(BMF / STB Web)

Artikel vom 20.05.2023

Wann endet im Alter die Beitragspflicht für die Arbeitslosenversicherung?

Die Agentur für Arbeit setzte bei einer Selbstständigen Beiträge für die Arbeitslosenversicherung über deren Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus für weitere 9 Monate fest. Begründet wurde dies mit der stufenweisen Anhebung des Renteneintrittsalters.

Das Sozialgericht hat der Agentur für Arbeit Recht gegeben und die Klage mit Urteil vom 27. März 2023 (Az. S 15 AL 135/22, nicht rechtskräftig) abgewiesen. Der Begriff des Lebensjahres in der maßgeblichen Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass das Versicherungsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze für den Anspruch auf Regelaltersrente ende.

Versicherungsfreiheit ab Erreichen der Regelaltersgrenze

Bei dem Wortlaut Lebensjahr handle es sich um eine gesetzgeberische Fehlformulierung. Sie führe bei Personen, die der monatsweisen Anhebung der Regelaltersgrenze unterfielen (Geburtsjahrgänge 1947 bis 1963), zu einem Auseinanderfallen zwischen Versicherungsverhältnis und Anspruch auf Regelaltersrente. Die gesetzliche Regelung bezwecke aber die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt, in welchem ein Wechsel des Sicherungssystems stattfinde, so das Sozialgericht.

Die vorherige Fassung habe den Eintritt der Versicherungsfreiheit mit Erreichen des 65. Lebensjahres vorgesehen. Aufgrund der ab 1. Januar 2008 umgesetzten schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre habe die Vorschrift angepasst werden müssen. Eine inhaltliche Änderung habe die Gesetzgebung aber nicht beabsichtigt. Personen, die das Lebensalter erreichten, das zum Bezug der Regelaltersrente berechtige, seien ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung, sondern den der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen.

Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27. März 2023, Az.: S 15 AL 135/22 (nicht rechtskräftig).

(SG Ffm / STB Web)

Artikel vom 26.05.2023

Keine ermäßigte Besteuerung von Corona-Hilfen

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass die im Jahr 2020 gezahlten Corona-Hilfen keine außerordentlichen Einkünfte darstellen, die in der Einkommensteuer nur ermäßigt zu besteuern sind.

Der Kläger führte als Einzelunternehmer einen Gewerbebetrieb, der eine Gaststätte und ein Hotel umfasste. Im Jahr 2020 war er von zeitweisen betrieblichen Einschränkungen und Schließungen betroffen. Ihm wurden im Streitjahr eine Soforthilfe von 15.000 Euro, eine Überbrückungshilfe I von 6.806 Euro sowie November- und Dezemberhilfen von 42.448 Euro gewährt.

Höhere Gewinne als vorher

Das Finanzamt unterwarf die erhaltenen Corona-Hilfen der tariflichen Einkommen­steuer. Der Kläger hingegen war der Auffassung, diese seien ermäßigt zu besteuern. Die Hilfszahlungen seien Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Nichtausübung einer Tätigkeit aufgrund der pandemiebedingten Schließung des Geschäftsbetriebs. Sie hätten beim Kläger zu außerordentlichen Einkünften geführt, weil der Kläger im Jahr 2020 einen höheren Gewinn verzeichnet habe, als es bei einem normalen Ablauf der Dinge der Fall gewesen wäre. Daher bestehe Anlass für die Milderung der Einkommensteuer.

FG: Überhöhte Bemessung der Corona-Hilfen

Das FG Münster hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2023 (Az. 13 K 425/22 E) abgewiesen. Soweit sich der Kläger mit seiner Argumentation wohl auf die frühere Rechtsprechung des BFH beziehe, nach der eine Vergleichsrechnung vorgenommen werden konnte, seien die Betriebseinnahmen zu betrachten. Im Jahr 2020 hätten diese aber selbst unter Einbezug der Zuschüsse unterhalb des Niveaus der Vorjahre gelegen. Dass der hieraus erzielte Gewinn höher als in den Vorjahren gewesen sei, belege letztlich nur die überhöhte Bemessung der Corona-Hilfen. Dies führe jedoch nicht zu außerordentlichen Einkünften.

(FG Münster / STB Web)

Artikel vom 15.05.2023

Hinweisgeberschutzgesetz kann in Kraft treten

Der Bundesrat hat am 12. Mai 2023 dem Hinweisgeberschutzgesetz zugestimmt, das im Vermittlungsausschuss nachverhandelt worden war. Der Bundestag hatte tags zuvor den Kompromissvorschlag bestätigt und seinen ursprünglichen Beschluss entsprechend verändert.

Das Gesetz dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie, die bis zum 17. Dezember 2021 umzusetzen gewesen wäre. Es regelt den Umgang mit Meldungen zu Betrügereien, Korruption und anderen Missständen in Behörden und Unternehmen; ebenso mit Hinweisen auf mangelnde Verfassungstreue von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, auch wenn dabei keine konkreten Straftaten vorliegen.

Enthalten sind Vorgaben zu Verfahren und Vertraulichkeit der Meldungen und Maßnahmen zum Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien - aber auch Haftung, Schadensersatz und Bußgelder im Falle bewusst falscher Angaben.

Interne und externe Meldestellen

Behörden und Unternehmen ab 50 Mitarbeitern müssen nach dem Gesetz interne Anlaufstellen schaffen. Zusätzlich will der Bund eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz errichten. Die Länder können eigene externe Meldestellen einrichten. Eine Pflicht, die Abgabe anonymer Meldungen zu ermöglichen besteht weder für interne noch für externe Meldestellen. Es wird lediglich vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollten.

Das Gesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt und danach im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll zum weit überwiegenden Teil einen Monat nach der Verkündung in Kraft treten - möglicherweise also etwa Mitte Juni 2023.

(Bundesrat / STB Web)

Artikel vom 12.05.2023